CORNELIA GURLITT (1890-1919)

Cornelias Lithographien sind Liebesgedichte. Ihre sensible, bewegte Seele fängt das eigene Herzeleid und das der anderen ein. „Das Geheimnis, das in den Werken still verbor- gen blüht, verschließt sich immer vor [...] hastig wühlenden Händen“, schreibt sie 1917 an ihren Bruder Wilibald. Ihre Arbeiten – sie spricht von „mir wirklich liebe Dinge“, wünschen sich behutsame Betrachter mit feinfühligen Augen und einem beweglichen Herzen, einem, das den Schwingungen der eigenen Seele folgt. Bange ist ihr vor Köpfen, „so fein und klug sie auch sein mögen“, die gierig, gefräßig, erbarmungslos an die Kunst herangehen, „sie aus ihrem Sinn saugt, und die Schale weg reisst.“
In ihren Bildern spricht ein Herz, das in den Stein zu ritzen weiß wie und woran es leidet. Es ist nicht allein mit sich und seinem Schmerz, wenn es uns alleingelassenen Frauen begegnen lässt, die ihre Hände öffnen und vor Gott im Himmel ihr Herz ausschütten oder hilflos die Hände verschränken.

    Cornelia Gurlitt, ohne Titel, Lithographie
    Ohne Titel, Lithographie. Bütten.
    190 x 145 mm (275 x 195 mm),
    Privatbesitz


Ja, Cornelia flüchtet in Gottes freie Natur. Sie flieht, um sich vom Elend der Zeit und der Stadt zu lösen. Selbst im Lazarett führt sie „ein abseitiges Leben“ „Diese Stadt hier [Wilna] – das ist unergründlich – die Armen und vor allem die Kinder, das ist wie wenn die Furcht vom Leben aufgebrochen wäre und so unendlich viel sehr Merkwürdiges. Überschüttet von Bildern und Eindrücken komme ich jedes Mal heim. Und hier draußen dann der Wald, den ich jetzt anders und neu liebe, der mir immer wieder wie das Orchester ist zum Lied in meinem Inneren. [...] Mir ist immer bang nach einsamen Stunden, in denen die Bilder nahe sind.“ Die Natur bietet ihr ein Refugium. Hier kann sie unge- stört Mensch sein. Sie öffnet die Hände und die Türen zum Innern und richtet den Ruf gegen den Himmel.

    Cornelia Gurlitt, ohne Titel, Bleistift
    Ohne Titel. 1917.
    Bleistift, Blatt 337 x 254 mm, auf bräunlichem Velin
    u. r. Widmung: Für Dr. Fechter
    u. l. signiert: Cornelia Mai 17
    Privatbesitz


      Cornelia Gurlitt, ohne Titel, Lithographie
      Ohne Titel. Lithographie. Bütten.
      210 x 190 mm (360 x 220 mm),
      Privatbesitz


        Cornelia Gurlitt, ohne Titel, Lithographie
        Ohne Titel. 1917.
        Lithographie, 265 x 214 mm (479 x 315 mm), auf gräulichem Bütten
        u. l. Widmung: Für Emma Fechter-Vockeradt;
        u. r. signiert und datiert: v. Cornelia Gurlitt August 17.
        Privatbesitz


Wir sehen den alten Judenfriedhof von Wilna, wo Cornelia oft zu finden ist.
Vor den Grabsteinen in herbstlicher Landschaft sitzt eine Frau tief in sich versunken. Ihre rechte Hand liegt auf` ihrem Herz. Es ist als suche sie, eingebettet in der Landschaft inmitten der Wellenkämme des Todes, nach Vergebung für das Leid, das ihr im Juden- ghetto von Wilna begegnet. Rechts neben ihr welkt eine Raute (Ruta graveolens), die Nationalblume der Litauer, auch Totenkraut oder Liebeskraut genannt. (Briefe im Bestand des Gurlitt Nachlasses TU Dresden)